Warum Donald Trump so „scharf“ auf einen Konflikt mit China ist?

Donald Trump hat richtig erkannt, dass China langfristig die größte, äußere Bedrohung für die USA ist. Wenn China nicht durch seine eigenen demographischen, ökologischen oder wirtschaftlichen Risiken stark ins Stolpern gerät wird es der größte Herausforderer der USA werden. Russland hat zwar ein großes Potenzial an sogenannter Hardpower, also vereinfacht ausgedrückt Panzer und Soldaten, es fehlt aber eine starke wirtschaftliche Basis und Softpower. Mit Softpower werden weichere Einflussfaktoren bezeichnet, dazu gehören beispielsweise die Marktattraktivität, ideologische Anziehungspunkte, Wohlstandsniveau oder Bildungsangebote. In einem Zeitraum der zwanzig Jahre vermutlich übersteigt wird China zur größten Bedrohung von außen für die Vormachtstellung der USA werden.

Donald Trump versucht die USA jetzt schon für diesen Konflikt in Stellung zu bringen. Er versucht den Vorteil der USA zu nutzen solange er noch besteht. Dabei verkennt er allerdings, dass einer der größten Vorteile der USA im pazifischen Raum ihre Attraktivität für alle Partnernationen von Japan über die Philippinen bis hin zu Australien und Neuseeland ist. Noch scharen sich diese Nationen um die USA und suchen bei ihr Schutz und verstärken damit die Überlegenheit der USA im pazifischen Raum um ein Vielfaches. Das könnte und wird sich ändern, wenn die USA keine Anreize mehr bieten (Beendigung TPP) oder die stärkere Konfrontation mit China suchen.

Die Partnernationen im Pazifik suchen Schutz bei den USA, weil sie keinen offenen Konflikt mit China wünschen der sich negativ auf ihre vor allem wirtschaftlichen Interessen auswirkt. Nur die Anrainerstaaten des südchinesischen Meeres und Japan und Südkorea suchen die USA noch aus dem Grund, dass sie alle noch offene Konflikte haben, bei denen sie auf die USA angewiesen sind oder die USA ihre Überlegenheit sichern. Die Anrainer des südchinesischen Meeres haben Konflikte mit China, Japan hat offene Konflikte mit China und Russland und Südkorea hat einen offenen Konflikt mit Nordkorea. Die Staaten die offene Konflikte mit China haben möchten diese Konflikte nicht weiter verschärfen und werden eine Zuspitzung der Konflikte nur mittragen, wenn ihre Positionen garantiert werden. Allerdings alleine werden sie ihre Interessen gegenüber der Volksrepublik China auch nicht durchsetzen können, vielleicht gemeinsam in einer Art NATO für den Pazifik. Historisch wäre das etwas noch nie Dagewesenes mit durchaus Chance auf Erfolg, wenn es richtig gemacht wird.

Donald Trump treibt den Konflikt mit China außerdem voran, weil er es im Wahlkampf versprochen hat. Er geht davon aus das eine Begrenzung der Importe aus China in den USA Arbeitsplätze schafft. Das kann so sein, ist aber eher unwahrscheinlich und wenn dann steigen die Produktkosten. Wahrscheinlicher ist, dass die Produkte dann in Vietnam oder Bangladesch gefertigt werden und einfach eine Auslagerung aus China stattfindet, die schon stattfindet dann nur weiter beschleunigt wird.

Die USA könnten auch viele der Produkte aus China gar nicht ersetzen. Erstens wären riesige Investitionen notwendig um die dafür benötigte Industrie aufzubauen und zweitens braucht eine solch gewaltige Umstrukturierung der Wirtschaft Zeit, jede Menge Zeit.

Das gefährliche daran ist, dass sich Donald Trump und seine Anhänger jetzt im Zugzwang sehen. Ohne jetzt gleich den Teufel an die Wand malen zu wollen, aber Frankreich und Deutschland befanden sich 1914 ihrer Auffassung nach in einer ähnlichen Situation gegenüber Russland. Deutschland hatte Angst, dass seine Gegner bald zu stark wären und damit ein Sieg unmöglich und Frankreich hatte Angst, dass Russland bald Frankreich nicht mehr braucht und Frankreich damit alleine gegen Deutschland steht. So schlimm wie damals wird es wohl nicht kommen. Da vieles auch anders ist, die Gefahr für übereiltes handeln besteht dennoch.

Obamas Chinastrategie war ruhiger, sanfter und weniger konfrontativ. Obamas Fokus lag auf der Einbindung aller potenziellen Konfliktgegner Chinas in ein System kollektiver Sicherheit. Er kam aber nicht über die Anfänge eines solchen Systems hinaus, das Fundament dieses Systems ist noch lange nicht fertig gegossen und braucht jetzt mehr Beton. Wenn das System fertig gebaut ist funktioniert auch die weitere Eindämmung Chinas, dass ist allerdings keine Lösung des Problems das Trump sieht. Trump denkt China muss jetzt aufgehalten werden und amerikanische Arbeitsplätze gerettet werden. Ein doppelter Gewinn für Donald Trump,  von den Kosten redet er nicht.

Ob Donald Trump Erfolg mit seiner China Strategie hat, liegt vor allem daran wie weit er bereit ist zu gehen. Wenn er bereit ist die Krim und Syrien Russland zu überlassen, könnte er mit Vladimir Putin als neuen Verbündeten bzw. Partner China kalt erwischen und in Unterlegenheit bringen. Ähnlich wie Präsident Nixon es damals mit China gegenüber der Sowjetunion getan hat. China und Russland haben einige ungelöste und sehr lange bestehende Konflikte die wir im Westen gerne vergessen, weil unser Kollektivbewusstsein weniger langfristig ist als das der Chinesen und Russen.

Vielleicht ändert Donald Trump die Ausrichtung seiner Chinapolitik auch nochmal und er brauchte jetzt nur eine Findungsphase. Die Zukunft wird es am Ende zeigen.

 

Literaturempfehlung zum Thema China: Länderbericht China der Bundeszentrale für politische Bildung.

Eine mögliche Friedenslösung für Israel und die Palästinenser

Ich möchte in diesem Beitrag eine mögliche Friedenslösung für den Nahen Osten im groben skizzieren, über die Details müssen sich die Palästinenser und Israelis selbst einigen. Das Thema ist zu komplex und ich bin selbst auch kein Beteiligter und ich kann deshalb auch nicht für beide Seiten sprechen. Was ich aber machen kann ist einen groben Vorschlag, der meiner Meinung nach viel zu wenig diskutiert wird.

Beide Seiten Israelis und Palästinenser wollen nur in Frieden und Freiheit leben und ich denke das ist möglich.

Meiner Einschätzung nach spaltet sich das Lager der Palästinenser grob in zwei Lager. Das erste ist die Fatah im Westjordanland und das zweite ist die Hamas die den Gaza-Streifen kontrolliert. Die Fatah erkennt das Existenzrecht Israels an und bekennt sich zum Friedensprozess und genau dort muss der Friedensprozess fortgesetzt werden.

Die Hamas kann man dabei erstmal ignorieren. Im ersten Schritt muss mit der Fatah im Westjordanland ein umfassendes Friedensabkommen geschlossen werden. Das umfasst alle wichtigen Punkte vom Siedlungsbau bis zum Rückkehrrecht. Dabei müssen beide Seiten Zugeständnisse machen und hier müssen beide Seiten über ihren Schatten springen. Zugeständnisse werden in Konfliktsituationen oft als Zeichen der Schwäche interpretiert und gerade in Konflikten in denen es um die Existenz beider Seiten geht sind Kompromisse nahezu unmöglich (siehe irakische Innenpolitik, ihre ethnischen Konflikte und das nicht funktionierende Föderalismussystem).

Wenn es beiden Seiten gelingt diesen Graben zu überwinden und ein Abkommen abzuschließen, die Details überlasse ich den Vertretern beider Seiten, kann der zweite Schritt beginnen. Der zweite Schritt besteht darin den Palästinensern zu zeigen ein Leben in friedlicher Koexistenz mit Israel bietet viele Vorteile. Das ist einmal wichtig für die Palästinenser im Westjordanland, aber auch für die im Gazastreifen ohne Friedensabkommen. Dank moderner Kommunikationsmittel und dadurch, dass die meisten Palästinenser Verwandte und Freunde im jeweils anderen Teil haben wird sich verbreiten, dass das Leben im Westjordanland seit dem Friedensschluss besser geworden ist. Dem kann gut durch eine starke Entwicklungshilfe durch Israel und oder die Vereinten Nationen nachgeholfen werden.

Die Machtposition der Hamas im Gaza-Streifen beruht hauptsächlich auf ihrer Rolle als „Verteidiger“ der Palästinenser bzw. ihrer gewaltsamen Machtübernahme nach den letzten Wahlen. Diese Rolle könnte man untergraben, indem man der Bevölkerung im Gaza-Streifen zeigt das Frieden möglich und die bessere Lösung ist. Als gutes Beispiel dient hier das Westjordanland. Langfristig würde die Hamas dadurch ihre Legitimationsgrundlage verlieren und am Ende könnte sich die Hamas friedensbereit zeigen oder ihre Macht verlieren. Die Hamas wird sich dagegen vermutlich mit einer Terror- und Raketenwelle gegen Israel wehren. Hier gegen darf und muss Israel sich wehren, aber dabei ist eine schwierige Gratwanderung zu bewerkstelligen. Ein zu hartes zurückschlagen würde die Hamas nur unnötig stärken und ein zu schwaches zurückschlagen würde Israel nach innen schwächen und den Hardlinern Auftrieb geben. Gleichzeitig darf man in Israel die Palästinenser im Westjordanland nicht mit denen im Gaza-Streifen in einem Topf werfen, dass würde die Friedensgespräche nur gefährden. Bis die Hamas nach dem Frieden mit der Fatah im Westjordanland bereit ist Frieden zu schließen oder „erledigt“ ist wird es, meiner Einschätzung nach, mindestens fünf Jahre dauern.

Nachteile:

  • Der Plan kann an vielen Detailfragen schon im ersten Schritt scheitern.
  • Beide Seiten müssten zu Zugeständnissen im ersten Schritt bereit sein.
  • Der erste Schritt mit den Zugeständnissen kostet vor allem „innenpolitisches Kapital“.
  • Es ist ein langwieriger Plan, der keine schnelle Lösung des Konfliktes verspricht.
  • Die Hamas kann im zweiten Schritt mit Gewaltanwendung eventuell den ganzen Plan torpedieren.
  • Wenn es den Palästinensern im Westjordanland im zweiten Schritt nicht besser geht droht der ganze Plan zu scheitern.
  • Extremisten und Fanatiker auf beiden Seiten könnten versuchen den Plan durch Einzelaktionen z. B. Attentate zu stören.

 

Vorteile für Israel

  • Der erste Schritt würde Israels Ansehen, dass in letzter Zeit im Ausland sehr gelitten hat wiederherstellen.
  • Der Friedensweg kommt ohne eine offensive Militäraktion zur Friedenserzwingung aus.
  • Ein erfolgreiches, unabhängiges und befriedetes Westjordanland schafft Sicherheit und macht Ressourcen frei die zur Absicherung gegen die Hamas verwendet werden können bis auch der Gaza-Streifen friedensbereit ist.
  • Es muss kein Frieden geschlossen werden, der sofort mit allen Parteien alle Fragen klärt. Sondern es kann ein langsamer geordneter Friedensprozess Schritt für Schritt geführt werden.
  • Eines der Standbeine für Israels Nichtanerkennung durch die anderen arabischen Staaten ist der Palästinenserkonflikt, der dann gelöst wäre. Und der Weg zu einer generellen Aberkennung durch die restlichen arabischen Staaten sind einige Steine aus dem Weg geräumt.
  • Israels Regierung gewinnt gerade bei den jungen liberalen Israelis an Anerkennung. Diese Gruppe stand in letzter Zeit eher in Opposition zur Regierung.
  • Ein neutraler vielleicht irgendwann sogar freundlicher Pufferstaat zwischen sich und den Nachbarstaaten.

 

Vorteile für die Fatah

  • Wenn die Unabhängigkeit des Westjordanlandes gelingt zementiert die Fatah ihren Anspruch als Führungsmacht der Palästinenser und schwächt die Hamas auf Dauer.
  • Wenn es der Bevölkerung im Westjordanland besser geht, stärkt das die politische Basis der Fatah.
  • Die Fatah würde verstärkten Zugang zur Entwicklungshilfe aus aller Welt kommen.
  • Das außenpolitische Ansehen der Fatah würde stark steigen.
  • Man kann sich „Befreier der Palästinenser“ nennen und nur die Extremisten würden dem widersprechen.
  • Keine Polizei und Unterdrückungsmaßnahmen durch Israel, dafür muss man aber auch die Sicherheit Israels gewährleisten. Eventuell kann man hier kooperieren auf Basis von Ausbildungshilfe und Informationsaustausch.

 

Und die Hamas?

  • Würde durch die Ausgrenzung politisch völlig marginalisiert werden einziger Ausweg wäre die Anerkennung Israels und Verhandlungen.
  • Kann nur sich nur noch mit Gewalt an der Macht halten, wenn die Rolle als Verteidiger der Palästinenser wegfällt und irgendwann verliert jede Gruppe die sich nur mit Gewalt an der Macht halten kann.
  • Die Hamas kann und wird den Friedensprozess mit Gewalt torpedieren.
  • Sie wird versuchen sich als einzig wahrer Verteidiger der Palästinenser zu definieren, damit aber nur bei den Extremisten erfolgt haben.
  • Langfristig wird die Bevölkerung im Gaza-Streifen die Hamas zum Frieden zwingen oder sie irgendwann absetzen. Auch wenn dies eventuell erst lange in der Zukunft liegt.

 

Dieser Vorschlag stellt eine Diskussionsgrundlage da und ist sicher nicht perfekt. Deshalb bitte ich jeden der sie liest und Vorschläge hat, diese mir mitzuteilen. Ich habe sicher etwas übersehen, nicht beachtet oder falsch bewertet.

Titelbild:  CC BY-SA 3.0

Wie kam es zu Erdogans Umschwung zur Diktatur?

In diesem Teil der Reihe „Politische Fragen und Antworten“ möchte ich mehrere Fragen beantworten.

  1. Wann begann der Wechsel in der Politik Erdogans?
  2. Was macht den Wechsel aus?
  3. Was sind die Gründe für den Wechsel?

Ich werde versuchen auf alle drei Fragen zu antworten. Politik ist oft hochkomplex und deshalb lässt sich einiges nicht genau an einem Punkt fixieren.

Wann begann der Wechsel in der Politik Erdogans?

Bis ungefähr 2009/2010 setzte Erdogan die pro-europäische Politik seiner Amtsvorgänger fort.  Er eröffnete zwar die Beitrittsverhandlungen zur EU, diese kamen dann 2009/2010 ins Stocken, weil die Türkei sich weiterte türkische Häfen für Schiffe aus Zypern zu öffnen.

Was macht den Wechsel aus?

Innenpolitisch führte Erdogan anfangs einige Demokratisierungen durch und stärkte die Menschenrechte. Er schaffte 2004 die Todesstrafe ab.  Seit 2012 setzt er sich für ihre Wiedereinführung ein, schaffte es Foltervorfälle in türkischen Gefängnissen zu reduzieren und stärkte die Meinungsfreiheit.

Seit ca. 2010 nehmen in der Türkei, durch die AKP und Erdogan forciert, die Tendenzen zu eine Diktatur zu errichten.  Den Punkt der Todesstrafe haben wir schon besprochen nach dem Putschversuch in 2016 soll die Todesstrafe unbedingt wieder eingeführt werden, bisher noch ohne Erfolg.

Seit 2011 gibt es in der Türkei Internetsperren, im Lauf der Jahre wurden die Sperren ausgeweitet. Allgemein ist es um die Medienfreiheit in der Türkei mittlerweile sehr schlecht bestellt. Viele Zeitungen wurden geschlossen, Journalisten verhaftet und Plattformen wie YouTube sind nicht mehr erreichbar. Mittlerweile ist die Türkei  auf Platz 151 von 180 der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen.  Die Türkei befindet sich damit auf einem Niveau wie Russland oder der Irak. Die Beziehungen zu den Kurden innerhalb der Türkei verbesserte er nachhaltig, erlaubte ihre Sprache an Schulen, erlaubte kurdische TV-Programme und es schien als könnte es einen dauerhaften Frieden geben. Das sieht mittlerweile anders aus. Die Kurden werden wieder unterdrückt und die PKK hat den bewaffneten Kampf wieder aufgenommen. Beide Seiten bezahlen den Kampf mit viel Blut, vor allem dem Blut von Zivilisten.

Der vermutlich stärkste Wechsel fand im Bereich der Unabhängigkeit des Staates gegenüber dem Islam bzw. Religionen allgemein statt. Die Türkei in Tradition seit ihrer Staatsgründung durch Kemal Atatürk laizistisch ausgerichtet, veränderte sich und der Islam bekam ab ca. 2010 immer mehr Einfluss. In politischen Reden wurde immer mehr auf religiöse Rhetorik zurückgegriffen. Das Kopftuchverbot, ein Symbol für die Trennung von Staat und Kirche, wurde gelockert.

Außenpolitisch hat sich auch ein Wandel eingestellt, fangen wir auf einem Nebenschauplatz an in Armenien. Anfangs setzte sich Erdogan für eine Verbesserung der Beziehungen zum Nachbarland ein. Mittlerweile sind die Beziehungen eher wieder frostig geworden. Oder bei diesem Schnee lieber anders formuliert, sie sind richtig heiß gelaufen durch die wieder aufgetreten Konflikte. Die Türkei weigert sich vehement den Völkermord an den Armeniern anzuerkennen. Erdogan ließ 2014 sogar das Menschlichkeitsdenkmal in der Stadt Kars abreißen, dessen Zweck die Versöhnung zwischen Türken und Armeniern sei.

Die Beziehungen zur europäischen Union waren anfangs sehr positiv und die Türkei schien auf einem guten Weg. Das änderte sich als die Verhandlungen ins Stocken gerieten. Was einerseits auf die Türken zurück zu führen ist andererseits auch auf die EU, die die Verhandlungen aus inneren Gründen sehr in die Länge gezogen hat. Die Türken fühlten sich dadurch verständlicherweise etwas sagen wir mal an der Nase herum geführt. Das führte mit zu dem jetzigen Umschwung, dazu später mehr.

Die Position der Türkei innerhalb der NATO ist eine Außenseiter Rolle. Einerseits wird die Türkei gebraucht aufgrund ihrer geopolitischen Lage, andererseits werden ihre Abenteuer in Syrien und Irak, sowie ihre Nähe zu Diktatoren wie Omar al-Baschir als kontraproduktiv gesehen. Wie lange sich die USA und die anderen NATO-Partner das noch gefallen lassen ist eine interessante Frage. Die NATO braucht die Türkei aus folgenden Gründen. Die Türkei kontrolliert die Dardanellen und damit den Zu- und Ausgang des Schwarzen Meeres und die Türkei liegt nahe an den momentanen Einsatzgebieten der NATO. Momentan herrscht in Syrien und im Irak in großen Teilen ein Machtvakuum, dass sich verschiedene Staaten zunutze machen wollen, Russland, Iran, Türkei und Saudi-Arabien sind nur einige davon. Zusätzlich gibt es noch Gruppen die bisher keinen Staat haben wie z.B. die Kurden oder islamische Gruppierungen. Wenn die Türkei den Rückhalt in der NATO komplett verliert oder sogar vor die Tür gesetzt wird, aufgrund ihrer oft kontraproduktiven Haltung, dann würde sie ihren Schild verlieren und auf einmal angreifbar werden. Sie könnte ihre momentan so aggressive Haltung nicht weiter fortführen.

Was sind die Gründe für den Wechsel?

Die Türkei gehört zu den wenigen Staaten im islamischen Kulturkreis die eine eigen Nationalität gebildet haben. Dabei sieht sie sich in Nachfolgerschaft des osmanischen Reiches. Erdogan bezieht sich in seinen Reden mittlerweile öfter auf das osmanische Reich wie in diesem Textbeispiel:

„Wir werden nicht Gefangene auf 780.000 Quadratkilometern sein. […] Unsere Brüder auf der Krim, im Kaukasus, in Aleppo und Mossul mögen jenseits der physischen Grenzen sein, aber sie sind innerhalb der Grenzen unserer Herzen.“

Diese Äußerung darf man nicht überbewerten. Ich sehe darin vorläufig keinen Anspruch das osmanische Reich wieder zu errichten, sondern eher den Versuch die Türken außerhalb der Türkei stärker an Erdogan und die Türkei zu binden. Das kann sich aber allerdings ändern wenn die Türkei stark an Macht gewinnen würde, aber erstens bezweifle ich das und zweitens vergeht bis dahin noch sehr viel Zeit, wenn es überhaupt eintritt.

Die Orientierung an der Vergangenheit vor Staatsgründung hat mehrere Gründe. Die Türkei und Erdogan gingen anfangs den Weg der Annäherung an die europäische Union. Die Europäer zögerten aber und verspielten damit die dauerhafte Bindung der Türkei an Europa und seine Werte.

Erdogan war hier in einer Sackgasse gelandet und orientierte sich um. Sein neues Ziel, die Türkei soll Führungsmacht in der islamischen Welt werden. Der Türkei fehlen dazu ein paar Grundvoraussetzungen. Die Türken werden von den Arabern, als Türken gesehen nicht als Araber das führt zu Konflikten und macht eine Unterordnung schwierig. Des Weiteren war die Türkei kein islamischer Staat und ist es auch noch nicht und als letztes fehlen der Türkei ganz einfach die Macht und der Einfluss. Erdogan arbeitet an allen Punkten parallel.

Eventuell werden ihn jetzt erstmal wirtschaftliche Schwierigkeiten ausbremsen, ob sie ihn aufhalten können wird sich zeigen. Es gibt aber noch genug andere Steinchen über die er stolpern kann. Wie es mit der Türkei weitergeht wird eine der interessantesten Entwicklungen in den nächsten 5 Jahren.

Der Vergleich: Otto von Bismarck und Vladimir Putin. Wo sind die Gemeinsamkeiten wo die Unterschiede?

Heute möchte ich zwei Politiker unterscheiden, die in ihrem Äußeren nicht unterschiedlicher hätten sein können. In Ihrem Politikstil aber einige Ähnlichkeiten aufweisen.

Fangen wir mit den Anfängen beider Politiker an. Wenn man der Autobiographie Vladimir Putins glauben kann (etwas das umstritten ist), dann ist Putin Sohn eines Fabrikarbeiters und Soldaten im Großen Vaterländischen Krieg und einer Fabrikarbeiterin aus Leningrad.

Otto von Bismarck ist dagegen adliger Abstammung und Sohn des Rittmeisters Ferdinand von Bismarcks und seiner Ehefrau Luise Wilhelmine Mencken. Die Familie Mencken brachte hohe Beamte und Gelehrte hervor.

Bismarck genoss für einen Landedelmann eine hervorragende Bildung, ein Verdienst seiner Mutter die mehr für ihre Söhne wollte.

Über Putins Bildungsweg ist nicht viel bekannt interessanterweise studierten beide Jura bzw. Rechtswissenschaften.

Putin arbeite nachdem Studium für den KGB im Bereich Auslandsspionage bevor 1990 eine zivile Laufbahn als Berater von Anatoli Sobtschak später Bürgermeister von St. Petersburg.

Otto von Bismarck leistete als Einjährig Freiwilliger seinen Dienst beim Garde-Jäger-Bataillon ab, später wechselte er zum Jäger-Bataillon Nr. 2. Danach wurde er Landwirt, nicht gerade eine Tätigkeit die man dem späteren Kanzler zugetraut hätte, aber er war sehr erfolgreich darin und erwarb wichtige betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Seine ersten politischen Tätigkeiten waren in der Kommunalpolitik ab 1845 war er Mitglied des Provinziallandtages der Provinz Pommern.

So kommen wir nun zum eingemachten, zu ihren Ähnlichkeiten und Unterschieden während der Blüte ihrer Tätigkeit.

Beide versuchten bzw. versuchen eine Weltordnung zu beseitigen. Bismarck beseitigte die Weltordnung „Metternich“ die nach dem Wiener Kongress entstanden ist. Putin beseitigte mehr oder weniger die Post-Kalter-Krieg Weltordnung in der die USA als einzige Weltmacht angesehen wurden. Putin schaffte es den USA Grenzen zu setzen. In Syrien konnte Präsident Obama seine rote Linie den Einsatz von Chemiewaffen nicht durchziehen. Stattdessen einigte man sich auf ein gesichtswahrendes Abkommen. In dem Assad sich verpflichtete alle Chemiewaffen zu vernichten.

Für Bismarck war das System Metternich einfach im Weg zur deutschen Einigung. Die deutsche Einigung war Bismarcks großes Ziel. Bismarck glaubte mit der deutschen Einigung wäre Deutschland stark genug um zu überleben. Das war Bismarcks Selbstbegrenzung, die seine Nachfolger später aufgegeben haben mit bekannten Folgen.

Putin sowie auch seine Vorgänger das zieht sich bis ins 18. Jahrhundert durch fühlten sich immer bedroht. Hatten immer eine Angst vor der Einkreisung. Die Lösung war dafür Expansion in alle möglichen Richtungen.

Beide sind Realpolitiker die knallhart analysieren was möglich ist. Für beide ist Macht die Grundlage einer Aktion. Legitimität spielt nur eine untergeordnete Rolle und dient höchstens zur Rechtfertigung und Verschleierung nach innen und außen.

Beiden ist völlig egal mit wem sie zusammenarbeiten ob Demokratie oder Autokratie. Partner ist wer nützlich ist. Putin würde, wenn es ihm hilft, sogar mit den USA zusammenarbeiten siehe Kampf gegen den IS. Bismarck würde sogar mit Frankreich zusammenarbeiten wenn sich dafür eine Gelegenheit böte. Frankreich allerdings nach 1871 nicht mehr. In Frankreich herrschte ab 1871 nur noch der Gedanke an Rache. Nach der französischen Revolution hatte Frankreich den Anspruch zum Schutze der Revolution müsse die ganze Welt „befreit“ werden. Man versuchte es und scheiterte daran. Frankreich erwähne ich hier als Gegenbeispiel zu Deutschland/Preußen und Russland unter Putin.

Es bleiben eine Menge Ähnlichkeiten und mindestens genauso viele Unterschiede. Wie erfolgreich Putin am Ende ist wird die Geschichte von morgen zeigen. Bismarcks Erfolge waren zu groß für seine Nachfolger, zu komplex, das Gleichgewicht der Mächte zu genau abgemessen. Es kippte sehr schnell zu Ungunsten Deutschlands und Deutschland stand allein mit Österreich da.

Deutsche Nationalinteressen?

Horst Köhler sagte in einem Interview folgendes und wurde dafür heftig kritisiert und trat später von seinem Amt als Bundespräsident zurück.

„Nein, wir brauchen einen politischen Diskurs in der Gesellschaft, wie es kommt, dass Respekt und Anerkennung zum Teil doch zu vermissen sind, obwohl die Soldaten so eine gute Arbeit machen. […] Wir kämpfen dort auch für unsere Sicherheit in Deutschland, wir kämpfen dort im Bündnis mit Alliierten, mit anderen Nationen auf der Basis eines Mandats der Vereinten Nationen, einer Resolution der Vereinten Nationen. […] Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. Alles das soll diskutiert werden und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg. […] Es wird wieder sozusagen Todesfälle geben. Nicht nur bei Soldaten, möglicherweise auch durch Unfall mal bei zivilen Aufbauhelfern. […] Man muss auch um diesen Preis sozusagen seine am Ende Interessen wahren. […]“

– Horst Köhler: 22. Mai 2010 in einem Interview mit dem Deutschlandradio

Er spricht davon, dass deutsche Interessen notfalls mit militärischer Gewalt durchgesetzt werden müssen.  Das kann man durchaus kritisieren würde ich aber nicht von vornherein ausschließen wollen, sondern immer Einzelfall abhängig zu machen. Horst Köhler drückt es hier leider nicht klar aus, aber ich denke er ging davon aus, dass militärische Gewalt immer durch ein UN-Mandat gedeckt sein sollte.

Die Frage mit der ich mich hauptsächlich beschäftigen möchte ist eine andere. Nämlich die danach was sind denn überhaupt deutsche Interessen und warum sind sie es.

Horst Köhler nennt hier zum Beispiel freie Handelswege als deutsches Interesse. Damit meint er nicht wie es bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts üblich war notfalls Staaten mit Gewalt zum Handeln zu zwingen, sondern das der freie Seeverkehr auf den freien Weltmeeren frei von Beeinträchtigungen bleibt. In den letzten Jahren war es zum Beispiel verstärkt vor dem Horn von Afrika zu Piratenangriffen gekommen. Durch militärischen Einsatz ist die Zahl der Piratenangriffe stark zurückgegangen. Die Zahl der Angriffe wird nur niedrig bleiben, solange die militärische Präsenz Vorort bleibt. Die Ursachenlösung muss in diesem Fall anders erfolgen und ist ein langfristiges Projekt. Das ist aber ein anderes Thema.

Militärische Mittel können manchmal notwendig sein sind aber kein Allheilmittel!

Freie Handelswege sind für uns wichtig, weil wir eine Nation sind die den Großteil ihrer Produkte ins Ausland exportieren. Damit die Waren dort ankommen müssen sie transportiert werden häufig per Schiff. Wenn jetzt ein Schiff ein bestimmtes Seegebiet meiden muss das nach internationalem Recht frei sein müsste entstehen zusätzliche Kosten durch den Umweg oder das Schiff fährt trotzdem hindurch vielleicht weil die Gefahr noch neu und unbekannt ist oder einfach nicht ernst genug genommen wird. Dann besteht die Gefahr das Schiff zu verlieren. Es könnten dabei Menschen zu Schaden kommen Besatzung könnte verletzt, getötet oder traumatisiert werden (Anderes Nationalinteresse wird hier berührt der Schutz der Staatsbürger). Hinzu kommt das Schiff stellt einen riesigen materiellen Wert da hinzu kommt noch die Warenladung.

Meist werden die Schiffe und die Besatzungen freigekauft dadurch entsteht ein riesiger wirtschaftlicher Schaden. Meist durch höhere Sicherungskosten wie erhöhte Versicherungsprämien oder Sicherheitspersonal. Der Schaden lässt sich nur schwer genau beziffern und wird zwischen 10 und 25 Mrd. US-Dollar geschätzt.

Freie Handelswege sind für eine exportorientierte Volkswirtschaft überlebenswichtig. Wenn keine Waren im Ausland ankommen fließt kein Geld zurück und Arbeitsplätze gehen verloren, das Wohlstandsniveau sinkt.

Ein weiterer Punkt den Horst Köhler ansprach sind regionale Instabilitäten. Warum sind regionale Instabilitäten für uns eine Gefahr? Auf den ersten Blick scheint es uns doch egal zu sein wenn irgendwo am anderen Ende der Welt ein Staat zusammenbricht. Da sterben zwar Menschen aber das sieht man nur in den Nachrichten uns gefährdet das ja nicht.

Abgesehen das es vom humanitären Standpunkt nicht gerade nun sagen wir humanistisch ist nichts zu unternehmen. Ist unsere Sicherheit dennoch indirekt bedroht. Wenn ein Staat in die Brüche geht entsteht dort häufig Gewalt. Gewalt führt zur Flucht. Die meisten Flüchtenden bleiben im Land, ein anderer Großteil flieht in die Nachbarstaaten und der Rest der übrig bleibt macht sich auf den weiten Weg nach Europa. Flüchtlingsvermeidung liegt also nicht nur in unserem humanitären sondern auch in unserem Nationalinteresse. Flüchtlinge sind für uns nicht das Problem erst es Ausmaße wie zur Zeiten der Völkerwanderungszeit annimmt sorgt es für wirkliche große Probleme.

Wenn ein einzelner Staat implodiert wird das nicht der Fall sein, aber was ist wenn der Zerfall sich ausbreitet auf die Nachbarstaaten? Vielleicht sogar auf die ganze Region?

Des Weiteren entsteht bei einem Staatszerfall ein Machtvakuum das irgendwer füllen wird. In der Regel ist es derjenige mit den meisten militärischen Mitteln. Das kann eine lokale Gruppierung sein wie die Taliban, eine global religiöse, politische, eine andere extremistische Gruppierung oder ein Nachbarstaat sein der sich vergrößert oder seinen Einflussbereich ausbaut. Man könnte jetzt sagen eine lokale Gruppe ohne Weltherrschaftsanspruch ist kein Problem. Das ist so richtig allerdings gibt es da ein paar klitzekleine Problemchen.

Erstens weiß man nie wer sich wie das politische Vakuum zu nutzen macht. Es werden vorher oft Vorhersagen getroffen die auch komplett schlüssig erscheinen, aber es kommt oft ganz anders.

Zweitens kann aus einer lokalen Gruppierung auch eine mit Weltherrschaftsanspruch werden. Zeiten ändern Menschen und auch politische Gruppen.

Drittens kann eine lokale Gruppe auch andere Gruppe unterstützen die tatsächlich eine Bedrohung für unsere Sicherheit sind. Al Qaida selbst ist eine Gruppierung die dem Westen vernichten will. Die Taliban nicht trotzdem durfte Al Qaida in Afghanistan Ausbildungslager errichten. Die Gründe dafür die Taliban erhöhten bei radikalen ihre Legitimität durch Unterstützung des Kampfes gegen Ungläubige ohne sich selbst die Finger schmutzig zu machen und der andere Grund ist schlicht Geld.

Meistens sind Anarchie und Staatsverfall auch wenig förderlich für den Wohlstand eines Staates und das wirkt sich auch negativ auf andere Staaten aus auch auf uns. Auch das ist bei einem Staat meistens kein Problem. Aber auch hier wie ist es wenn der Zerfall sich ausbreitet?

Zusammenfassung:

Deutsche Nationalinteressen sind Sicherheit der Staatsbürger.

Territoriale Integrität

Wohlstandssicherung und Ausbau

Friedenssicherung

Das sind nur die wichtigsten Interessen Deutschlands wie diese zu erreichen sind dafür gibt es unterschiedliche Wege. Deutschland ist seit seinem Bestehen (1871) fleißig am Ausprobieren welches der richtige Weg ist seine Interessen zu erreichen. Von Zeit zu Zeit kommt es zu Fehlern die in unserem Falle zu großen Katastrophen geführt haben.

Fehler kommen bei uns und jeder anderen Nation vor. Wichtig ist, dass wir keinen Fehler wiederholen.

Wie Staaten ohne eigene Machtbasis überleben können.

Warum Macht für Staaten notwendig ist habe ich hier schon einmal beschrieben. Heute geht es aber um die Frage wie überleben Staaten die so gut wie keine eigene Machtbasis haben (Luxemburg oder Liechtenstein) oder Staaten die sich viel stärkeren Konkurrenten konfrontiert sehen (Kuwait Anfang der 90er Jahre).

Kleinstaaten wie Liechtenstein haben nicht viele Möglichkeiten um sich selbst zu schützen. Es fehlt ihnen an der nötigen Demographie und Wirtschaftsleistung um das zu bewerkstelligen. Sie müssen andere Wege suchen. Liechtenstein sucht sein Überleben in der Integration und Kooperation mit den verschiedensten Rechtsgemeinschaften.

Einige Beispiele sind der Beitritt zum Rheinbund 1806, zum Deutschen Bund 1815, der Abschluss bilateraler Zoll- und Währungsabkommen mit der Donaumonarchie 1852 und schließlich des Zollvertrags mit der Schweiz im Jahr 1923. Und aktuell sind die wichtigsten Mitgliedschaften EU, WTO und UN sowie eine enge Bindung an die Schweiz.

Ganz gut wird das im Manga Hetalia dargestellt. In Hetalia werden alle Staaten personifiziert und als Menschen dargestellt samt ihrer zugesprochenen Eigenschaften (Vorurteile) und ihrer Beziehungen zu einander. Schweiz und Liechtenstein haben in Hetalia wie in der Realität ein sehr enges Verhältnis zueinander. So eng das sie als Bruder und Schwester angesehen werden und sich oft auch so verhalten obwohl sie es gar nicht sind. Im Manga findet Schweiz Liechtenstein verarmt, dreckig und hungrig auf einer Landstraße und kümmert sich seitdem um Liechtenstein. Das ist eine Metapher für die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Zu dieser Zeit gab es in Liechtenstein eine „große“ Textilindustrie. Liechtenstein entschied sich während des Krieges für die Neutralität. Die Alliierten verboten trotzdem den Garnimport über die Schweiz und das Land verarmte. Nachdem Krieg löste man den bestehenden Zollvertrag mit dem Verlierer Österreich auf und schloss 1923 den Zollvertrag mit der Schweiz. Daraufhin ging es der Bevölkerung schnell besser.

1259760078552_f

Im Fazit verlässt sich Liechtenstein auf die freundschaftlichen Beziehungen zu anderen Staaten die es schützen und deren Werte es teilt. Warum lassen sich andere Staaten darauf ein anstatt Liechtenstein einfach zu erobern? Ein Grund ist das beide Seite von einer Kooperation profitieren. Liechtenstein versucht zum Beispiel eine tiefere Integration der EU zu erreichen. Das liegt im eigenen Interesse. Liechtenstein hat verstanden das Nationen die eine geringere Fläche, eine kleinere demographische Basis und eine geringere Wirtschaftskraft als die großen und aufstrebenden Nationen USA und die BRICS-Staaten hat in der Welt nur Gestaltungsmöglichkeiten bekommen wenn sie sich zusammen tun.

Wer hat dasselbe Interesse in Europa wie Liechtenstein? Allen voran sind das Deutschland und Frankreich die als Motoren der europäischen Integration gelten. Also wendet man sich an die beiden. Zu Deutschland gab es während der 2000er Jahre eine „kleine“ Streitigkeit bezüglich deutscher Steuerzahler die ihr Geld in Liechtenstein geparkt haben. Wie hat man den Streit gelöst? Ganz ohne Waffengewalt. Man hat ein Steuerdatenabkommen geschlossen. Deutschland hatte so seine Steuerdaten und Liechtenstein konnte seine Beziehungen zu einem seiner wichtigsten Partner in Europa verbessern.

Ein anderer Grund ist das Liechtenstein gute Beziehungen zu den meisten Staaten der Welt pflegt und ein Angriff auf Liechtenstein würde den eigenen Beziehungen zu diesen Staaten schwere Schäden zufügen. Bis hin zu Gegenmaßnahmen in Form von Sanktionen, neuen Bündnissen oder sogar militärischer Intervention. Die Sicherheitsordnung in Europa basiert auf einigen Grundsätzen. Nationale Souveränität und Gleichbehandlung sind die Grundlagen. Kompliziert wird es erst bei den Punkten Kräftegleichgewicht, politische und wirtschaftlich Kooperation und friedliche Konfliktlösung.

Warum diese Punkte kompliziert sind ist ein eigenes Buch.

Liechtenstein ist also sicher, weil ein Angriff auf es nicht lohnend wäre die Kosten vor allem diplomatisch sind höher als der Gewinn.

Wie verteidigen sich kleine Staaten aber in einem Umfeld wo es keine Sicherheitsarchitektur wie in Europa gibt? Wo es keine internationalen Organisationen wie die OECD oder die EU gibt?

Erstens man sucht Schutz bei der UN. Das Problem an der UN sind ihre Vetomächte und ihre Uneinigkeit sowie das sie selber über keinerlei Macht verfügt. Sie ist immer auf ihre Mitgliedsstaaten angewiesen.

Zweitens man sucht sich eine Schutzmacht die einen beschützt. Diese Schutzmacht wird das natürlich nur aus Eigeninteresse tun. Das können schnöde Geldzahlungen sein oder auch vielfältige andere Interessen wie das waren regionaler Stabilität sein. Für die Schutzmacht ist natürlich der optimale Fall wenn sie so stark ist, dass ihre aktive Hilfe nie benötigt wird. Wenig Aufwand größter Gewinn.  Gleichzeitig ist das auch für den kleineren Staat selber Aufwand aber sicher und alles ist gut.

Gefährlich ist es wenn der sich zu beschützende Staat nicht auf die Hilfe seiner Schutzmacht verlassen kann. Dann wird das Ganze zu einem Pokerspiel gefährlich und hochexplosiv. Polen hat zum Beispiel sehr schlechte Erfahrung mit seinen europäischen Verbündeten Großbritannien und Frankreich gemacht. Die Reaktion darauf? Eine verstärkte Anlehnung an die USA die man als zuverlässiger und auch stärker ansieht.

Kuwait sah sich 1990 vom Irak bedroht und wurde am 02.08.1990 vom Irak angegriffen und dann annektiert. Im Falle Kuwaits funktionierte die Verhinderung eines Krieges nicht. Das lag daran das der Irak hochverschuldet war ca. 80 Mrd. US-Dollar und Kuwait als ein einfaches und lukratives Ziel erschien. Der Irak rechnete nicht mit großen Reaktionen der internationalen Staatengemeinschaft. Die internationale Staatengemeinschaft reagierte aber doch. Erst mit Sanktionen und dann einer Resolution um Kuwait zu befreien. Der Abschnitt:  „ermächtigt die Mitgliedstaaten… alle erforderlichen Mittel einzusetzen“ beinhaltet auch den Einsatz militärischer Gewalt. Gegen die Resolution gab es zwei Gegenstimmen (Kuba, Jemen) und eine Enthaltung (China). Die UN-Truppen zum Großteil US-Truppen führten diese Resolution dann ab dem 15.01.1991 aus.

Wie schützte sich Saudi-Arabien vor einer Invasion durch den Irak? Es bat die USA um Hilfe. Die daraufhin Soldaten nach Saudi-Arabien entsendeten auch schon in Vorbereitung zur Befreiung Kuwaits. Der Irak griff Saudi-Arabien nicht an obwohl es anfangs dazu durchaus militärisch in der Lage gewesen wäre. Die Ersten US-Truppen hätten den Irak nicht aufhalten können. Sie hielten den Irak trotzdem davon ab.

Warum? Der großflächige Angriff auf einen Nachbarstaat und auf US-Soldaten hätten jeden Verhandlungsversuch des Iraks irgendwie noch mit Gewinn aus der Sache heraus zukommen vollends zerstört und gleichzeitig die Amerikaner gezwungen den Irak vollends in die Knie zu zwingen.

Kleine Randgeschichte: Osama bin Laden bot Saudi-Arabien den Schutz durch Al-Qaida an. Saudi-Arabien lehnte dies aber ab. Warum sollte offensichtlich sein. Seitdem hasste Osama bin Laden das saudische Königshaus zutiefst dafür den Schutz der heiligen Stätten an Ungläubige abgegeben zu haben und die Amerikaner dafür das sie heiligen Boden betraten.

Terrorismus – Ein Einstieg in das Thema

Die Anschläge von Brüssel sind auch an mir nicht spurlos vorüber gegangen. Sie sind genau wie die Anschläge von Paris und die meisten anderen Anschläge Angriffe auf unsere Freiheit und Gesellschaft. Wir dürfen jetzt nicht in Panik verfallen, sondern müssen tief durchatmen, das Denken wieder aufnehmen und dann handeln.

Belgier, Europäer seit stark, bleibt stark, seit frei, bleibt frei.

Belgien ist ein befreundetes Land soweit das unter Staaten geht. Belgien ist unserer Verbündeter und Partner in der NATO und der EU. Deshalb verdient Belgien unsere vollste Solidarität und Unterstützung.

Das wir Belgien heute einen Freund und Partner nennen dürfen ist eine der schönsten Geschichten des großen Buches der Weltgeschichte. Soviel ist zwischen unseren Ländern vorgefallen meistens ging es von unserer Seite aus. Das verdient Anerkennung für beide Seiten vor allem aber für die Belgier. Danke Belgien!

Als Einstieg möchte ich einfach einige Bücher nennen und die allgemeine Definition unkommentiert wiedergeben.

Fangen wir mit der Definition an.

Unter Terrorismus (lat. terror „Furcht, Schrecken“) sind Gewalt und Gewaltaktionen (wie z. B. Entführungen, Attentate, Sprengstoffanschläge etc.) gegen eine politische Ordnung zu verstehen. Der Terror dient als Druckmittel und soll vor allem Unsicherheit und Schrecken verbreiten oder Sympathie und Unterstützungsbereitschaft erzeugen.

Definition nach Peter Waldmann: Terrorismus und Bürgerkrieg. Der Staat in Bedrängnis.

Das erste Buch: Terror vor Europas Toren – Wilfried Buchta

Das Buch habe ich hier schon einmal ausführlich besprochen.

Das zweite Buch: Heiliger Krieg – heiliger Profit von Marc Engelhardt

Die Inhaltsangabe: In den letzten Jahren haben sich in etlichen afrikanischen Staaten verheerende Terroranschläge ereignet. Die Anschläge in Nairobi 2013, im kenianischen Garissa 2014 oder in der malischen Hauptstadt Bamako 2015 waren dabei nur diejenigen, denen die Weltöffentlichkeit am meisten Beachtung schenkte. Der langjährige Afrika-Korrespondent Marc Engelhardt beschreibt, wie Teile Afrikas zur Bühne des internationalen Terrorismus geworden sind. Er zeigt dabei, dass es den vordergründig oft religiös motivierten Terroristen in erster Linie um Macht und Profit geht. Ob al-Shabaab in Somalia, Lord’s Resistance Army in Zentralafrika, al-Qaida in der Sahara oder Boko Haram in Nigeria, sie alle verbinden mit ihren terroristischen Aktivitäten handfeste Geschäftsinteressen. So haben sich grenzüberschreitende kriminelle Netzwerke herausgebildet, unter denen vor allem die einheimischen Bevölkerungen leiden. Zudem hat sich der Terror des „Islamischen Staats“ als Einflussfaktor etabliert, dem einige Terrorgruppen offen nacheifern oder dem sie gar die Gefolgschaft erklären. Das Buch geht zudem der Frage nach, ob Drohnenangriffe, militärische Interventionen und Militärhilfe die richtigen Antworten der westlichen Staaten auf den Terror in Afrika sein können.

Das dritte Buch: Generation Allah von Ahmad Mansour

Die Inhaltsangabe: Religiöser Extremismus ist kein neues Phänomen. Dennoch sehen sich die offenen Gesellschaften des Westens einer zunehmenden Zahl junger, radikaler Islamisten gegenüber, deren Werdegänge und Motive vielfach im Dunkeln bleiben. Ahmad Mansour war einer von ihnen. Er hat sich aus diesem Umfeld gelöst und berät heute zahlreiche Projekte präventiver Jugendarbeit. Seinen Erfahrungen zufolge wirkt ein Bündel von Faktoren als Katalysator der Radikalisierung: die oftmals fehlende oder schwache Autorität der Eltern ebenso wie falsche Vorbilder im Umfeld der jungen Leute, eine unzeitgemäße Auslegung des Islam sowie die als dekadent empfundenen oder so diskreditierten freiheitlichen Gesellschaften des Westens mit ihrem angeblich mangelnden Respekt für den Islam. Nicht zuletzt missbrauchen Radikale den Islam als identitätsstiftendes Surrogat für mangelnde Perspektiven der Jugendlichen in Schule und Beruf. Mansour plädiert für einen individuellen Blick auf jeden gefährdeten jungen Menschen und für konstruktive Präventionsarbeit.

 

Buch zwei und drei sind bei der Bundeszentrale für politische Bildung erschienen. Buch Nummer eins mittlerweile auch.

Was ist ein Militärattaché und was sind seine Aufgaben

Fangen wir erstmal mit einer Begriffsdefinition an. Ein Militärattaché ist ein Experte mit militärischen Kenntnissen der einer diplomatischen Botschaft oder Mission zugeordnet wird, damit besitz er diplomatische Immunität. Meistens werden für diese Funktion aufgrund ihrer fachlichen Expertise Berufsoffiziere eingesetzt. Er ist damit ein wichtiger informationsquell für die Sicherheitspolitik seines Staates.

Seine Aufgaben in einem Satz zu beschreiben ist schwierig, am ehesten kann man sagen er vertritt den Verteidigungsminister im Gastland. Gut ich gebe zu dieser Satz ist wirklich nichtssagend und deshalb spezifizieren wir das nun. Er ist Ansprechpartner für eigene Soldaten im Gastland z.B. bei  gemeinsamen Streitkräfteübungen. Gleichzeitig hilft er bei Organisation solcher Übungen und anderen Kooperationen. In seiner Funktion als Vertretung des Verteidigungsministers soll er auch für ein positives Gesamtbild seiner Nation im Gastland sorgen.

Bei militärischen Fragen zum Gastland ist er der wichtigste Berater des Botschafters und damit der Regierung für das Gastland. Ein Militärattaché wird in seiner Funktion oft als Beobachter zu Inspektionen und Übungen eingeladen. Die dabei erlangten Informationen gibt er natürlich an seinen Entsendestaat weiter. Für manche  verwischen dabei die Grenzen zur Spionage. Ehrlich gesagt sind solche Behauptungen meistens ziemlicher Blödsinn. In den meisten Fällen sammelt der Militärattaché offene Informationen auch aus einfachen Zeitungsberichten und anderen medialen Quellen. An Geheiminformationen zu gelangen ist für einen militärischen Attaché oft schwierig, da er bekannt ist und leicht überwacht werden kann. Wenn aber Spionageaktionen bekannt werden ist oft der Attaché der „leidtragende“ der dann ausgewiesen wird. Die Geheiminformationen werden wenn überhaupt von den Nachrichten und Geheimdiensten gesammelt. Der Attaché arbeitet dann allerdings mit diesen Informationen und erstellt zusammen mit seinen Erfahrungen aus dem direkten Kontakt mit den Streitkräften des Gaststaates ein komplettes Lagebild über die militärischen Kapazitäten die dem Staat zur Verfügung stehen.

Zusammengefasst sind Militärattachés als Informationssammler und Lagebildersteller unglaublich wichtig. Durch den direkten Kontakt zu den Streitkräften des Gastlandes können sie Information am besten in ein komplexes Lagebild einfügen. Diese Lagebilder sind wichtige Grundlagen ohne die keine Fakten gesteuerte Außenpolitik gemacht werden kann. Da ohne die Kenntnisse über militärische Kapazitäten eines Staates weder ein Bedrohungspotenzial abgeleitet werden kann noch dessen Verteidigungskraft im Falle eines Angriffes von außen. Beides möchte man bei Freund und Feind aber sehr genau wissen. Damit man einschätzen kann wie sehr man dem einem im Konfliktfall helfen möchte und wenn dann wie am besten und im anderen Fall mit welchen Kräften man im Konfliktfall zu rechnen hat und wie sie vermutlich eingesetzt werden.

Weiterführende Literatur

Robert O. Kirkland: Observing our ‚Hermanos de Armas‘. US military attachés in Guatemala, Cuba, and Bolivia, 1950–1964. ISBN 0415947847.

Über die Schwachpunkte moderner Demokratien in einer konfliktvollen Welt.

Die Demokratie ist nicht das perfekte Regierungssystem, aber unter uns ich glaube so etwas gibt es auch nicht, trotzdem ist es das Beste was wir haben. Es verfügt über viele Vorteile und einige Nachteile. Heute möchte ich mich mit einigen grundlegenden strategischen Nachteilen beschäftigen.

Alle Entscheidungen müssen von mehr als 50% der Abgeordneten mitgetragen werden, ansonsten gibt es keine parlamentarische Zustimmung. Je nach Ausrichtung der Demokratie fällt das stärker ins Gewicht. In Deutschland z.B. darf die Bundesregierung keinen bewaffneten Einsatz der Bundeswehr ohne Zustimmung des Parlamentes durchführen außer in Ausnahmefällen (Parlamentsbeteiligungsgesetz). In einigen anderen Demokratien sind die Regeln weniger streng. Das betrifft aber nicht nur den Einsatz der Streitkräfte sondern nahezu alle Regierungsentscheidungen. Immer muss ein möglichst großer Konsens erreicht werden. Um den zu erreichen sind Demokratien oft gezwungen Abstriche in ihrer Politik zu machen um somit andere Parteien und Akteure mit einzubinden. Das hat viele Vorteile aber auch Nachteile und die sind das Thema. Wenn eine demokratische Regierung nun ein strategisch notwendiges Ziel ausgemacht und sich darauf einigen konnte, dann fällt ihr oft aufgrund der nötigen Konsensbildung schwer dieses Ziel mit aller Kraft zu verfolgen und alle nötigen Maßnahmen einzuleiten.

Der Einfluss des Wählers ist ein weiterer Punkt der eine strategische Arbeit von Demokratien erschwert. In Demokratien schauen die Parteien und Politiker darauf was der Wähler möchte und das ist meistens auch gut so. Aber manchmal sind auch unpopuläre Maßnahmen nötig, die dann verschleppt werden oder für immer unter den Tisch fallen nur weil bald wieder gewählt wird. Demokratien kämpfen meistens mit sich selbst und ihrer Meinungsbildung in der Bevölkerung und den Parlamenten, dass ist nötig und sollte zu einer reflektierten und ausdiskutierten Entscheidung führen. Manchmal allerdings schlägt dieser Korrekturmechanismus fehl, Entscheidungen fallen zu langsam, sind durch Populismus verfälscht oder einfach zu verwaschen.

Die Diversität moderner Zivilgesellschaften ist eine ihrer größten Errungenschaften und gleichzeitig ein Problem. Ich bin bekennender Individualist wie viele andere auch. Gleichzeitig denke ich auch an all die anderen Menschen die hier leben. Und das ist der Punkt den viele vergessen man ist nicht alleine, alleine funktioniert die Gesellschaft nicht und ohne ordnenden Staat würde irgendwer anders eine Ordnung schaffen und das ist vermutlich eine weniger angenehme Ordnung. Dieser Individualismus löst die Menschen aus der Gesellschaft und „spricht“ sie von jeder Verantwortung frei: „Ich gehör ja nicht dazu“ ist ein oft gesagter Satz. Und so verliert die moderne Zivilgesellschaft an gemeinsamer Richtung und Zielstrebigkeit. Gewinnt aber an Dynamik, Innovationskraft und Lebensfreude.

Fazit: Bei den hier aufgezählten Nachteilen handelt es nur um einige der gröbsten. Doch zum Abschluss sei gesagt, dass nichts die Vorteile einer modernen Demokratie und Zivilgesellschaft aufwiegen kann. Die Probleme sind zwar da aber auch mit ihnen kann großes erreicht werden, wie z. b. das Nachkriegsdeutschland eindrucksvoll beweisen hat.

Zweiter Tschetschenienkrieg – Das Gefecht um Höhe 776

Heute fange ich eine neue Kategorie an. Deren Fokus weniger auf aktueller Politik liegt, sondern sich mit einzelnen Schlachten und Gefechten beschäftigt. Sie wird also kleine Rückblenden auf eine der niedrigsten Ebenen von ausgeführter Sicherheitspolitik geben. Bekannte Schlachten wie die Schlacht bei Tannenberg oder die Ardennen-Offensive werde ich dabei auslassen und mich den eher weniger beachteten zuwendeten wie etwa dem Gefecht um Höhe 776.

Das Gefecht um Höhe 776 fand während des zweiten Tschetschenienkrieges vom 29.02.2000 – 01.03.2000 statt. Die daran beteiligten Konfliktparteien waren die Russische Föderation die gegen Tschetschenische Rebellen und ihre ausländischen Unterstützer gekämpft haben. Diese ausländischen Unterstützer waren freiwillige Mudschaheddin die sich dem tschetschenischen Freiheitskampf angeschlossen haben.

Die Befehlshaber waren auf russischer Seite Generaloberst (damals) Gennadi Nikolajewitsch Troschew als Oberbefehlshaber und Mark Jewtjuchin (Oberstleutnant, verstorben) als Kommandeur der russischen Fallschirmjägerkompanie eigentlich Kommandeur des 2. Bataillons.

Auf tschetschenischer Seite Schamil Bassajew als Rebellenführer und Ibn al-Chattab der eine Einheit ausländischer Kämpfer kommandierte. Nach seinem Tod  2002 gingen viele seiner Kämpfer in den Irak.

Das Kräfteverhältnis sah wie folgt aus 90 russische Fallschirmjäger gegen ca. 1500-2500 tschetschenische Kämpfer.

Die Vorgeschichte

Nachdem russischen Sieg in der Schlacht von Grosny zogen sich die Rebellen den Argun-Fluss  folgend, bis 20 Kilometer südsüdwestlich von Schali, bei Ulus-Kert zurück und sammelten sich dort neu. Das russische Oberkommando plante daraufhin eine Offensive um die Kräfte der Rebellen einzuschließen, vollständig zu neutralisieren und damit wieder die komplette Kontrolle über die Region zu übernehmen. Gleichzeitig wären damit zwei Führungsfiguren des Tschetschenienkrieges ausgeschaltet gewesen.

Das Gelände um die kleine Stadt Ulus-Kert herum besteht aus bergigem Gelände, mit wenigen für größere motorisierte Truppen geeignete Straßen. Das russische Oberkommando plante daraufhin den Einsatz kleiner, luftbeweglicher Einheiten um den Tschetschenen die Bewegungsmöglichkeiten zu nehmen und sie von Nachschubwegen abzuschneiden. Der eigentliche Vernichtungsangriff sollte dann von kampfstärkeren Einheiten aus dem Norden erfolgen.

Zur Vorbereitung besetzen russische Luftlandetruppen am 22. Februar das Dorf Machkety und riegelten damit den Weg nach Osten fast komplett ab. Am 28. Februar besetzten russische Verbände die Stadt Schatoi ca. 13 Kilometer südlich von Ulus-Kert und blockierten damit den Weg nach Süden.

Der Ausweg für die weitgehend eingeschlossenen Verbände – bestehend aus Rebellen und ausländischen Mudschaheddin – der am sinnvollsten schien, war, trotz der russischen Truppen in Machkety, der Weg nach Osten, da sie dort, in der Bergregion um Wedeno, noch über einige Stützpunkte verfügten, die eine größere Zahl an Kämpfern versorgen konnte und zudem die Möglichkeit bot, sich in Richtung Dagestan oder Georgien abzusetzen und von dort aus an anderer Stelle wieder nach Tschetschenien zurückzukehren.

Generaloberst Troschew sah die Wahrscheinlichkeit für einen Angriff in Richtung Osten als gering an, da nach seiner Einschätzung die Rebellen durch die harten Kämpfen und die schlechte Versorgungslage zu geschwächt seien um größere Offensivaktionen zu unternehmen. Er behauptete gegenüber der Presse sogar, dass keine größeren Banden mehr existierten.

Im Verlauf des 29. Februars besetzten die russischen Fallschirmjäger die Höhen  705.6 / 626 und 787. Die 6. Kompanie bestand aus 3 Zügen, zwei normalen Infanteriezügen und einen mit Maschinengewehren ausgerüsteten schweren Zug. Zusatzlich war ihr eine Aufklärungsgruppe SpezNas zugeteilt.

Die Kämpfer um Schamil Bassajew benutzten einen Weg, der aus Ulus-Kert nach Südosten in die Berge führt. Jeder Kämpfer trug Winterbekleidung und persönliche Ausrüstung, während Lebensmittel, schwere Waffen und Munition von einer Kolonne aus Tragtieren transportiert wurden.

Die 3. Kompanie hatte sich bereits am 27. östlich von Ulus-Kert auf den Höhen 666.0 und 574.9 eingegraben und traf am 29. als erste Einheit auf gegnerische Kämpfer. Deren Spähtrupps wurden von den russischen Fallschirmjägern an diesen Stellungen abgewiesen und zwangen sie einen anderen Weg nach Osten zu suchen.

Da der Kompaniechef der 6., Major Molodow, erst kurz zuvor in die Einheit versetzt worden war, übernahm der Kommandeur des 2. Bataillons, Oberstleutnant Mark Jewtjuchin, für diesen Einsatz das Kommando über die Kompanie.

Eine Landung direkt auf der Höhe war nicht möglich und so musste die 6. Kompanie 15 Kilometer, mit bis zu 50 Kg schwerer Ausrüstung im aufsteigenden Gelände in ihre Stellung marschieren. Die Marschgeschwindigkeit  lag bei 1 Km/h. Ein Aufklärungstrupp wurde mit leichtem Gepäck vorgeschickt und fand die Höhe 776 unbesetzt vor. Fünf Soldaten des Aufklärungstrupps klärten weiter Richtung Höhe 705,6 auf. Die Spitze der Kompanie erreichte Höhe 776 erst gegen 11:20. Gegen 12:00 war der Großteil der 6. Kompanie eingetroffen einige Marschgruppen aber noch weit entfernt.

In der Nähe von Höhe 705,6 traf der verkleinerte Aufklärungstrupp auf rund 20 Rebellen, die die Schwäche des Trupps erkannten und ihm nachsetzten während sich dieser zurückzog.

Major Molodow ging dem Aufklärungstrupp mit einigen Männern entgegen und wurde von den Verfolgern tödlich Verwundet. Aufgefangener Funkverkehr zwischen Chattab und Bassajew deutete daraufhin das die Rebellen nichts von den Fallschirmjägern in der Region wussten, bisher. Bassajew war noch verwundet und schlug vor die Fallschirmjäger zu umgehen. Chattab schlug dagegen einen Angriff vor und konnte sich am Ende durchsetzen.

Die erste, rund 160 Mann starke Rebellentruppe unter dem Kommando von Chattab teilte sich und umging Höhe 776 auf beiden Seiten. Aufgeteilt in Gruppen zu rund 50 Kämpfern. schloss sie die Fallschirmjäger ein. Kurze Zeit später traf die Masse der Rebellen ein.

Eine noch fehlende Gruppe wurde noch im Anmarsch von den Rebellen überrannt und komplett aufgerieben.

Die Rebellen versuchten nun sich an die Stellungen der Fallschirmjäger heran zuarbeiten und sie daran zu hindern  sich einzugraben. Dazu beschossen sie die Fallschirmjäger nach erkennen ihrer Positionen mit Granatwerfern.

Gegen Tagesende zogen sich die Fallschirmjäger mit Ihren Verwundeten auf die Spitze von Höhe 776 zurück. Sie ließen dabei Ausrüstung wie Schlafsäcke, Lebensmittel und andere Gebrauchsgegenstände zurück.

Die Fallschirmjäger forderten Artillerieunterstützung an.

General Troschew schildert dieses Thema in seinen Erinnerungen so: „1.200 Granaten „schütteten“ die Artilleristen des 104. Regiments in die Gegend von Höhe 776,0 vom Nachmittag des 29. Februar bis in die frühen Stunden des 1. März“

Zur Effektivität der Unterstützung kann keine Aussage gemacht werden.

31 Soldaten der 6. Kompanie fielen am ersten Tag.

Die russischen Streitkräfte verfügten nur über Funkgeräte die man nicht verschlüsseln konnte und von den Rebellen auch abgefangen werden konnten.

Natürlich versuchte das russische Oberkommando die eingeschlossen Streitkräfte zu entsetzen. Ein Versuch von zwei SpezNas Zügen scheiterte an einer Abwehrstellung der Rebellen östlich von Ulus-Kert.

In der Nacht gelang es einem Zug der 4. Kompanie aus dem Süden zu den eingeschlossenen durchzubrechen. Die Verstärkung bestand allerdings aus „nur“ 15 Mann. Dabei wurde der stellvertretende Bataillonskommandant schwer verwundet und der Zugführer getötet.

Gegen 5:00 Uhr nahmen die Rebellen die Angriffe wieder auf und drängten die Fallschirmjäger immer weiter auf der Spitze zusammen. Die Fallschirmjäger forderten die Artillerieunterstützung nun auf Positionen die nur 50 Meter von den eigenen Stellungen entfernt lagen. Dabei gingen sie ein großes Risiko des Eigenbeschusses ein. Gegen 6:50 wurde die Stellung vermutlich komplett überrannt.

Am 2. März fand man nur noch Tote finden.

Sechs Fallschirmjäger überlebten das Gefecht und wurden von der 1. Kompanie im Tagesverlauf des 2. März aufgelesen. Zwei hatten sich versteckt, drei gaben an, auf Weisung eines Vorgesetzten vor dem letzten Angriff von der Höhe geschlichen zu sein, der sechste hatte sich nach eigenen Angaben im Verlauf des Gefechts ergeben und war nach Schlägen mit Gewehrkolben ins Gesicht von den Rebellen ausgeplündert und bewusstlos zurückgelassen worden.

84 russische Soldaten starben während des Gefechts. Die Zahl der toten Rebellen schwankt zwischen 100 und 400 Toten.

Bekannt sind aber die Folgen der Großteil der Rebellen entkam und konnte den Kampf fortsetzen. Der Krieg zog sich noch länger hin und auch wenn offiziell beendet ist Tschetschenien genau wie Dagestan und Inguschetien immer noch eine Unruheprovinz.

Welche Lehren lassen sich daraus für die Sicherheitspolitik ziehen?

Für die Sicherheitspolitik wenig direkt, da die meisten Lehren militärischer Natur sind. Aber einige wenige gibt es doch: Und dazu gehört vor allem eine moderne Ausstattung der Streitkräfte in diesem Fall mit Drohnen und verschlüsselungsfähigen Funkgeräten.

Die militärischen Lehren sind:

Erstens Soldaten die eingeschlossen sind und für die Aufgabe keine Lösung ist kämpfen bis zum Äußersten das gilt für die Rebellen auf der Flucht sowie auch für die eingeschlossen Fallschirmjäger in Motivation und Kampfgeist war keine Seite der anderen unterlegen.

Zweitens mangelte es den Fallschirmjägern an Informationen über Stärke und Absicht des Gegners. Hätten die russischen Streitkräfte zu diesem Zeitpunkt bereits über Drohnen verfügt hätte man früher Gegenmaßnahmen treffen können. Eine andere Option wäre gewesen das Bereitstellen stärkerer Reserven gewesen um einen Mangel an Informationen durch Kraft auszugleichen. Oder man hätte die Operation abbrechen müssen bis man mehr Informationen oder mehr Reserven zur Verfügung gehabt hätte.

Des Weiteren hätte der 6. Kompanie ein Luftwaffenverbindungsoffizier zugeteilt werden müssen. Man hatte zwar einen Artillerieoffizier aber niemanden der die Luftunterstützung einweisen konnte. Zwei Mi-24 Hubschrauber die das Gelände überflogen konnten wegen schlechter Bodensicht nicht eingreifen.

Weitere Literatur zum Thema

Gennadi Nikolajewitsch Troschew: Mein Krieg. Tschetschenien-Erinnerungen eines Graben-Generals. (russ.: Моя война. Чеченский дневник окопного генерала), Verlag (Вагриус), 2001, ISBN 5-264-00657-1.

Paul J. Murphy: The wolves of Islam: Russia and the faces of Chechen terror. Brassey’s, ISBN 1-57488-830-7.

C.W. Blandy: Conflict Studies Research Centre: Chechnya Two Federal Disasters. 2002, ISBN 1-903584-78-7.

Bildurheber: Alexpl