Wie wir mit der Türkei und Erdogan umgehen sollten

Die Türkei ist momentan auf dem Weg von einem säkularen, demokratischen Staat hinzu einer Diktatur mit religiösem Einschlag. Wie sollen wir in Deutschland oder der EU damit umgehen?

Was wollen wir eigentlich?

Erstmal müssen wir uns klar werden wollen was unsere Interessen sind bzw. welches Interesse Priorität hat. Wenn es um die Türkei geht haben wir mehrere Interessen. Manche davon ergänzen sich andere schließen sich bei der momentanen politischen Situation aus.

Erstens haben wir Interesse an einer säkularen, demokratischen Türkei die uns von den Grundwerten näher ist und somit auch besser in die NATO und irgendwann vielleicht die EU passt. Staaten die eine ähnliche Weltanschauung haben stehen in Krisenzeiten meistens fester zusammen und finden eher auch gemeinsame Lösungen für Probleme. Es kommt auch seltener zu Missverständnissen und Divergenzen, da viele Konfliktfelder von vornherein wegfallen. Deutschland muss zum Beispiel die Niederlande nicht ermahnen die Menschenrechte einzuhalten. Wenn aber ein deutscher Politiker in einer Diktatur zu Gast ist wird er das Thema Menschenrechte ansprechen müssen und sei es nur es Scheins wegen.

Zweitens haben wir ein Interesse daran, die Minderheit der Kurden, die in der Türkei, Irak und Syrien leben, zu schützen. Eine Eskalation des Konflikts wäre nicht in unserem Sinne, denn eine Eskalation des Konflikts würde einerseits viele Flüchtlinge aus den Kurdengebieten zur Folge haben, die bisher dort sich einigermaßen sicher fühlten und anderseits würde eine Eskalation die türkische Gesellschaft weiter radikalisieren und antidemokratische Positionen stärken.

Drittens haben wir ein Interesse an der Türkei als Handelspartner. Laut statischem Bundesamt war die Türkei 2016 in der Liste unser wichtigsten Handelspartner auf Platz 15. Hier sei allerdings gesagt das die Türkei uns mehr braucht als wir sie. Die Türkei ist auf einige Investitionsgüter aus Deutschland und der EU angewiesen und genauso auf die Millionen von Touristen die gerne in der Türkei am Strand liegen. Auf die Türkei als Absatzmarkt kann die EU verzichten. Klar wird die Umstellung Geld und einige Arbeitsplätze kosten, aber letztendlich werden wir die Türkei als Absatzmarkt ersetzen können.

Ein weiteres Interesse haben wir in an der Türkei aufgrund ihrer Lage. Die Lage der Türkei ist geostrategisch so wichtig, dass eine Westbindung der Türkei für den Westen immens wichtig ist.

Wie beantworten wir die Frage jetzt also? Meiner Meinung nach liegt unserer Hauptinteresse an einer langfristig an den Westen gebundenen Türkei, die sich an demokratische und humanitäre Werte hält.

Warum ist die Türkei geostrategisch so wichtig?

Die Türkei hat die Kontrolle über die Dardanellen und den Bosporus und damit über den Zugang zum Schwarzen Meer. Niemand kann aus dem Schwarzen Meer heraus oder hinein ohne, dass die Türkei es zulässt.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Türkei verbindet Europa mit dem Nahen Osten und dem Kaukasus. Beides sind starke Konfliktgebiete mit potenzieller Sprengkraft. Die Türkei verbindet aber Europa auch politisch mit beiden Gebieten. Und könnte beispielsweise mäßigend auf Aserbaidschan im Bergkarabach-Konflikt einwirken.

Gleichzeitig war die Türkei das Symbol für die Verbindung aus Islam, Demokratie, einem säkularen Staatswesen und Menschenrechten. Wenn wir langfristig in der Region Demokratie und Menschenrechte durchsetzen möchten, brauchen wir ein Vorbild. Menschen übernehmen nie ein aufgezwungenes System. Sie müssen von sich aus erkennen, dass Demokratie und Menschenrechte ihr Leben um einiges besser machen. Dazu braucht es aber ein Vorbild um die Ecke, ein Vorbild das kulturell ähnlich ist. Deutschland und die EU sind zwar gute Vorbilder, aber zu weit entfernt geographisch und kulturell.

Betrachten wir nun den Osten der Türkei. Der Osten der Türkei grenzt an Georgien, Armenien, Iran, Irak und Syrien. Die Infrastruktur im Osten der Türkei ist vorhanden aber für große konventionelle Konflikte unzureichend. Zuwenig und zu kleine Straßen, wenige für militärische Operationen ungeeignete Flugplätze verhindern eine klassische Kriegsführung. Allerdings lässt sich Infrastruktur ausbauen und es hätte auch positive Auswirkungen auf die zivile Wirtschaft in der Struktur schwachen Osttürkei.

Georgien ist kein NATO-Mitglied aber ein Partner. Unterstützung im Konfliktfall mit einem Nachbarn könnte Nachschub nicht nur über den See- und Luftweg nachgeführt werden sondern auch über den Landweg. Das schafft strategische Alternativen falls die anderen Nachschubwege blockiert werden.

Armenien liegt im Konflikt mit Aserbaidschan einem Partnerstaat der Türkei. Die Türkei hat in diesem Konflikt eine Schlüsselrolle. Geostrategische Bedeutung hat dieser Konflikt nur in Hinsicht auf die Ausweitung des Einflusses im Kaukasus und Armenien ist ein loser Partner Russlands. Wie weit die Unterstützung Moskaus für Armenien reicht ist fragwürdig.

Der Iran ist ein Staat der aufgrund seines Atomprogramms ein Konfliktpotenzial mit nahezu jedem Staat auf der Welt hat außer vielleicht Nordkorea. Der Iran hat in der arabischen und sunnitischen Bevölkerung vieler Nachbarstaaten viele Feinde. Die Iraner sind übrigens keine Araber, ein Fakt der in Europa ziemlich unbekannt ist.

Der Irak ist in weiten Teilen ein gescheiterter Staat, in dem der Westen viele Fehler gemacht hat. Mit dem Thema kann man ganze Bücher füllen. Ich verweise hier auf ein sehr gutes und ausführliches Buch. Wenn im Nordirak es wieder zu einer Situation kommt die ein Eingreifen von außen erforderlich macht. Könnte man direkt aus der Türkei diese Hilfe schicken, in welcher Form dann auch immer. Der Weg ist kürzer als aus Bagdad und wenn gleichzeitig im Norden und im Süden eine Rettungsoffensive, für beispielsweise eine eingeschlossene Stadt voller Zivilisten, begonnen wird sind auch deren Erfolgschancen höher. Auch eine Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten ließe sich über den Norden besser organisieren, wenn die Landesmitte wieder im Chaos versinkt. Diese Hilfe hatte die Türkei den Türken zu großen Teilen verwehrt, was die Lage der Kurden nicht gerade erleichtert hat.

Syrien versinkt zurzeit im Bürgerkrieg und im Krieg gegen den IS. Die NATO versucht gemeinsam mit Russland den Kampf gegen den IS zu führen. Dabei verlässt sie sich auf türkische Stützpunkte die relativ nahe am Geschehen sind eine andere Alternative wäre Zypern oder Jordanien. Die Türkei versucht derweil die syrischen Kurden zu bekämpfen und eine kurdische Staatsgründung zu verhindern.

Zusammengefasst. Wer den Nahen Osten, das Schwarze Meer und den Kaukasus kontrollieren will, der kommt an der Türkei nicht vorbei. Das wissen auch alle Beteiligten.

Was können wir tun?

Wir haben einige Möglichkeiten, dabei sollten wir uns auf unsere Softpower verlassen. Erstens haben wir kaum nennenswerte Hardpower (eine Ausnahme) und zweitens wären alle Hardpower Möglichkeiten bis auf eine nicht zielführend. Zur Erinnerung unser Interesse ist es die Türkei langfristig an uns zu binden und dabei Demokratie und Menschenrechte zu wahren.

Eine Möglichkeit die der Hardpower zugerechnet wird, wäre ein militärisches Eingreifen. Warum das ausfällt? Ähm die Türkei ist Nato-Staat, wir haben noch Soldaten die sich zurzeit in der Türkei befinden und mit welchen Streitkräften eigentlich? Diese Möglichkeit fällt also aus.

Eine weitere Maßnahme aus dem Baukasten der Hardpower wären Wirtschaftssanktionen oder wirtschaftliche Anreize. Und da haben wir eine Menge zu bieten. Aber eine EU-Mitgliedschaft gibt es nur unter Bedingungen. Wirtschaftssanktionen würde ich nicht als erster verhängen, sondern darauf warten, dass die Türkei damit anfängt. Warum? Dazu später mehr.

In verschiedenen Studien zum Thema Soft Power liegt Deutschland seit 2012 immer in den Top 5.

Noch gibt es in der Türkei eine Zivilgesellschaft die sich den Bestrebungen Erdogans widersetzt. Diese Zivilgesellschaft kann man vielfältig unterstützen zum Beispiel moralisch, mit Geld, Bildung, Veröffentlichungen in türkischer Sprache und vielem mehr. Viele Maßnahmen sind langfristig aber wir wollen die Türkei auch langfristig an uns binden also dürfen wir auch diesen Punkt nicht vergessen.

Wir könnten auch Informationsangebote auf Türkisch erstellen und sie über das Internet verbreiten oder über das Radio wie man es früher an der Grenze zur DDR mit Radio Free Europe gemacht hat. Gleichzeitig sollten wir dafür Sorge tragen, dass unsere türkischen Mitbürger alle benötigten Informationen erhalten damit sie sich unabhängig ihre Meinung bilden können. Eine einseitige Informationsbeschallung aus der Türkei müssen wir verhindern.

Wir können alle diplomatischen Kanäle nach guter alter Staatskunst ausschöpfen. Und unserem Missfallen Ausdruck verleihen.

Wahlkampfauftritte dürfen wir nicht aus Sicherheitsgründen verbieten, dem Bundesgerichtshof sei Dank für diese Klarstellung.

Wir haben Tausende von Möglichkeiten die Türkei zu beeinflussen und die meisten sollten wir auch nutzen.

Wir könnten unsere Tornados aus der Türkei abziehen, die von dort für die Anti-IS Allianz aufklären. Ich würde die Tornados als angehörige der Koalition trennen von restlichen Geschehen. Allerdings könnten wir die Investitionen in den Flugplatz noch einmal überdenken.

Was sollten wir tun?

Wir haben hier ein echtes Dilemma. Die Türkei ist sehr wichtig für uns, aber wir dürfen sie auch nicht zu sanft anfassen sonst entgleitet sie uns langfristig. Eine direkte Konfrontation allerdings könnte uns kurzfristig jeden Einfluss verwehren, vielleicht zu entscheidender Zeit. Allerdings könnte eine große Konfrontation mit Wirtschaftssanktionen auch viele Türken in die Arme von Erdogan treiben. Wir müssen jetzt einen schweren Balanceakt hinlegen und das wird keine einfache Prüfung für unsere Politiker sein.

Kurzfristig vollen wir die geplante Verfassungsänderung, die Erdogan mehr Macht gibt, verhindern. Langfristig wollen wir die Türkei als demokratischen Partner an uns binden. Deshalb sollten wir auf alle Drohungen verzichten. Das ist weder unser Niveau noch haben wir davon irgendeinen Vorteil.

Was wir aber tun können ist hierzulande Wahlkampfauftritte zu verhindern und die Wähler zu informieren. Warum Demokratie und Menschenrechte besser sind als eine Diktatur. Dieses Wissen, das erklären und vor allem auch zeigen an praktischen Beispielen, sind die Grundpfeiler für eine Ablehnung der geplanten Verfassungsänderung.
Die EU kann der Türkei ohne zu drohen klar vermitteln, dass eine EU-Mitgliedschaft, eine Visa-Freiheit oder eine Teilnahme am gemeinsamen Markt es nur dann gibt, wenn demokratische Standards eingehalten werden.

Wie wir auf Drohungen seitens der Türkei reagieren sollten? Ganz einfach mit Gelassenheit. Wenn Erdogan uns droht setzt er sich selber unter Zugzwang. Er macht sich lächerlich, wenn alles nur heiße Luft bleibt. Welche Möglichkeiten hat er denn? Wirtschaftssanktionen? Damit schneidet er sich ins eigene Fleisch und er dann ist auch der Punkt erreicht an dem wir zu Sanktionen übergehen sollten.

Wenn er einen Staat in der EU sanktioniert, sanktioniert er uns alle und dann müssen wir ihm auch gemeinsam antworten. Gemeinschaftliches und solidarisches Handeln ist bei diesem komplizierten Fall eine Grundvorrausetzung für Erfolg.

Langfristig werden wir die Türkei nur an uns binden können, wenn wir es schaffen den türkischen Bürgern zu vermitteln, dass Demokratie und Menschenrechte nicht nur irgendeine Alternative sind, sondern die Beste die es gibt.

Wie kam es zu Erdogans Umschwung zur Diktatur?

In diesem Teil der Reihe „Politische Fragen und Antworten“ möchte ich mehrere Fragen beantworten.

  1. Wann begann der Wechsel in der Politik Erdogans?
  2. Was macht den Wechsel aus?
  3. Was sind die Gründe für den Wechsel?

Ich werde versuchen auf alle drei Fragen zu antworten. Politik ist oft hochkomplex und deshalb lässt sich einiges nicht genau an einem Punkt fixieren.

Wann begann der Wechsel in der Politik Erdogans?

Bis ungefähr 2009/2010 setzte Erdogan die pro-europäische Politik seiner Amtsvorgänger fort.  Er eröffnete zwar die Beitrittsverhandlungen zur EU, diese kamen dann 2009/2010 ins Stocken, weil die Türkei sich weiterte türkische Häfen für Schiffe aus Zypern zu öffnen.

Was macht den Wechsel aus?

Innenpolitisch führte Erdogan anfangs einige Demokratisierungen durch und stärkte die Menschenrechte. Er schaffte 2004 die Todesstrafe ab.  Seit 2012 setzt er sich für ihre Wiedereinführung ein, schaffte es Foltervorfälle in türkischen Gefängnissen zu reduzieren und stärkte die Meinungsfreiheit.

Seit ca. 2010 nehmen in der Türkei, durch die AKP und Erdogan forciert, die Tendenzen zu eine Diktatur zu errichten.  Den Punkt der Todesstrafe haben wir schon besprochen nach dem Putschversuch in 2016 soll die Todesstrafe unbedingt wieder eingeführt werden, bisher noch ohne Erfolg.

Seit 2011 gibt es in der Türkei Internetsperren, im Lauf der Jahre wurden die Sperren ausgeweitet. Allgemein ist es um die Medienfreiheit in der Türkei mittlerweile sehr schlecht bestellt. Viele Zeitungen wurden geschlossen, Journalisten verhaftet und Plattformen wie YouTube sind nicht mehr erreichbar. Mittlerweile ist die Türkei  auf Platz 151 von 180 der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen.  Die Türkei befindet sich damit auf einem Niveau wie Russland oder der Irak. Die Beziehungen zu den Kurden innerhalb der Türkei verbesserte er nachhaltig, erlaubte ihre Sprache an Schulen, erlaubte kurdische TV-Programme und es schien als könnte es einen dauerhaften Frieden geben. Das sieht mittlerweile anders aus. Die Kurden werden wieder unterdrückt und die PKK hat den bewaffneten Kampf wieder aufgenommen. Beide Seiten bezahlen den Kampf mit viel Blut, vor allem dem Blut von Zivilisten.

Der vermutlich stärkste Wechsel fand im Bereich der Unabhängigkeit des Staates gegenüber dem Islam bzw. Religionen allgemein statt. Die Türkei in Tradition seit ihrer Staatsgründung durch Kemal Atatürk laizistisch ausgerichtet, veränderte sich und der Islam bekam ab ca. 2010 immer mehr Einfluss. In politischen Reden wurde immer mehr auf religiöse Rhetorik zurückgegriffen. Das Kopftuchverbot, ein Symbol für die Trennung von Staat und Kirche, wurde gelockert.

Außenpolitisch hat sich auch ein Wandel eingestellt, fangen wir auf einem Nebenschauplatz an in Armenien. Anfangs setzte sich Erdogan für eine Verbesserung der Beziehungen zum Nachbarland ein. Mittlerweile sind die Beziehungen eher wieder frostig geworden. Oder bei diesem Schnee lieber anders formuliert, sie sind richtig heiß gelaufen durch die wieder aufgetreten Konflikte. Die Türkei weigert sich vehement den Völkermord an den Armeniern anzuerkennen. Erdogan ließ 2014 sogar das Menschlichkeitsdenkmal in der Stadt Kars abreißen, dessen Zweck die Versöhnung zwischen Türken und Armeniern sei.

Die Beziehungen zur europäischen Union waren anfangs sehr positiv und die Türkei schien auf einem guten Weg. Das änderte sich als die Verhandlungen ins Stocken gerieten. Was einerseits auf die Türken zurück zu führen ist andererseits auch auf die EU, die die Verhandlungen aus inneren Gründen sehr in die Länge gezogen hat. Die Türken fühlten sich dadurch verständlicherweise etwas sagen wir mal an der Nase herum geführt. Das führte mit zu dem jetzigen Umschwung, dazu später mehr.

Die Position der Türkei innerhalb der NATO ist eine Außenseiter Rolle. Einerseits wird die Türkei gebraucht aufgrund ihrer geopolitischen Lage, andererseits werden ihre Abenteuer in Syrien und Irak, sowie ihre Nähe zu Diktatoren wie Omar al-Baschir als kontraproduktiv gesehen. Wie lange sich die USA und die anderen NATO-Partner das noch gefallen lassen ist eine interessante Frage. Die NATO braucht die Türkei aus folgenden Gründen. Die Türkei kontrolliert die Dardanellen und damit den Zu- und Ausgang des Schwarzen Meeres und die Türkei liegt nahe an den momentanen Einsatzgebieten der NATO. Momentan herrscht in Syrien und im Irak in großen Teilen ein Machtvakuum, dass sich verschiedene Staaten zunutze machen wollen, Russland, Iran, Türkei und Saudi-Arabien sind nur einige davon. Zusätzlich gibt es noch Gruppen die bisher keinen Staat haben wie z.B. die Kurden oder islamische Gruppierungen. Wenn die Türkei den Rückhalt in der NATO komplett verliert oder sogar vor die Tür gesetzt wird, aufgrund ihrer oft kontraproduktiven Haltung, dann würde sie ihren Schild verlieren und auf einmal angreifbar werden. Sie könnte ihre momentan so aggressive Haltung nicht weiter fortführen.

Was sind die Gründe für den Wechsel?

Die Türkei gehört zu den wenigen Staaten im islamischen Kulturkreis die eine eigen Nationalität gebildet haben. Dabei sieht sie sich in Nachfolgerschaft des osmanischen Reiches. Erdogan bezieht sich in seinen Reden mittlerweile öfter auf das osmanische Reich wie in diesem Textbeispiel:

„Wir werden nicht Gefangene auf 780.000 Quadratkilometern sein. […] Unsere Brüder auf der Krim, im Kaukasus, in Aleppo und Mossul mögen jenseits der physischen Grenzen sein, aber sie sind innerhalb der Grenzen unserer Herzen.“

Diese Äußerung darf man nicht überbewerten. Ich sehe darin vorläufig keinen Anspruch das osmanische Reich wieder zu errichten, sondern eher den Versuch die Türken außerhalb der Türkei stärker an Erdogan und die Türkei zu binden. Das kann sich aber allerdings ändern wenn die Türkei stark an Macht gewinnen würde, aber erstens bezweifle ich das und zweitens vergeht bis dahin noch sehr viel Zeit, wenn es überhaupt eintritt.

Die Orientierung an der Vergangenheit vor Staatsgründung hat mehrere Gründe. Die Türkei und Erdogan gingen anfangs den Weg der Annäherung an die europäische Union. Die Europäer zögerten aber und verspielten damit die dauerhafte Bindung der Türkei an Europa und seine Werte.

Erdogan war hier in einer Sackgasse gelandet und orientierte sich um. Sein neues Ziel, die Türkei soll Führungsmacht in der islamischen Welt werden. Der Türkei fehlen dazu ein paar Grundvoraussetzungen. Die Türken werden von den Arabern, als Türken gesehen nicht als Araber das führt zu Konflikten und macht eine Unterordnung schwierig. Des Weiteren war die Türkei kein islamischer Staat und ist es auch noch nicht und als letztes fehlen der Türkei ganz einfach die Macht und der Einfluss. Erdogan arbeitet an allen Punkten parallel.

Eventuell werden ihn jetzt erstmal wirtschaftliche Schwierigkeiten ausbremsen, ob sie ihn aufhalten können wird sich zeigen. Es gibt aber noch genug andere Steinchen über die er stolpern kann. Wie es mit der Türkei weitergeht wird eine der interessantesten Entwicklungen in den nächsten 5 Jahren.